Der Vergleich des Films mit der verbalen Sprache ist ebenso richtig wie falsch. Der Vergleich ist irreführend sobald er naiv verstanden wird. Die Strukturen eines digitalen Zeichensystems sind nicht ohne weiteres auf ein hauptsächlich analog arbeitendes übertragbar. Zumal besteht der Film nicht aus einem Code besteht, sondern aus mehreren, die selber durch einen Code zu einer Einheit organisiert sind. Als System von Codes ist der Film dadurch so komplex, daß sein Verstehen erlernt werden muß und die Beherrschung bestimmter Codes schon voraussetzt. Selbst der Vergleich mit einer ideographischen Schrift - wie bei EISENSTEIN - ist eher irreführend als hilfreich. Nur jene Theoretiker, die intuitive Einsichten konsequent wissen schaftlich zu Ende denken, kommen zu brauchbaren Ergebnissen, wodurch Sie ihre Überlegenheit in der Methode unter- streichen. Es gibt keinen Code im Cinéma, den ein Film besitzen muß, um ein Film zu sein. So gibt es Autoren, die z.B. behaupten, daß Filme, die eine bestimmte expressive Form der Montage nicht verwenden, unfilmisch sind. Für METZ besteht das Cinéma aus einer Pluralität von völlig verschiedenen Codes, was unvereinbar ist mit der Notwendigkeit eines besonderen Codes. Filmisch ist alles das, was auf der Leinwand erscheint, insofern braucht ein Film nicht einen bestimmten Code aufzuweisen, um filmischer zu sein als andere. Der Film kann auch nicht mit einer Schrift verglichen werden. Selbst bei einer ideographischen tauchen gewichtige Unterschiede auf. Die Ikonologie ist in einem Filmbild wesentlich höher als in einer ideographischen Schrift. Auch fehlt ihr die Möglichkeit Bewegung zu reproduzieren. METZ geht nicht soweit, daß er jede Ähnlichkeit abstreitet, aber er sieht den Vergleich nur dann als hilfreich, wenn er nicht übertrieben oder als der einzige Weg zum Verständnis des Cinéma gesehen wird.
Der Vergleich des Films mit einer verbalen Sprache ist für bestimmte Aspekte des Films irreführend. Die Einstellung entspricht weder dem Wort noch die Einstellungsfolge dem Satz. Demnach ist Film weder eine verbale Sprache im Sinne einer Rede (parole) noch im Sinne einer Schrift (ecriture).