Wenn, wie OCTAVIO PAZ schreibt, der Mensch ein Zeichen ist, das die Natur ausspricht, dann ist der Film ein Zeichen, das der Mensch ausspricht.
Wie wir schon sehen konnten, wird jene Vorstellung, daß die linguistischen Strukturen der verbalen Sprache (langue) ihre Gültigkeit auch innerhalb der Filmsprache besitzen, von ECO und METZ strikt abgelehnt. In den Reflexionen über Film tauchen jedoch immer wieder Aussagen auf, die eine solche Vorstellung implizieren.
Der Dokumentarfilm ist ' wirklicher ' als der Spielfilm, aufgrund einer konventionalisierten Bedeutung von Wirklichkeit, die er visuell codifiziert
(verwackelte Einstellungen, unausgewogene Belichtung, grobkörnige Bilder, Normalperspektive etc.) und die selber beim Zuschauer als Konvention erst erlernt werden müssen. Er ist jedoch nicht ' wirklicher ', weil er eine graduell höhere Anteilnahme an der Wirklichkeit hat als ein Spielfilm. Eine solche Annahme setzt ein Verständnis von Wirklichkeit voraus, wie es durch die Entwicklung seit dem Universalienstreit des Mittelalters schon längst in Frage gestellt wurde. Beide - Spielfilm und Dokumentarfilm - sind Zeichensysteme, die ihre jeweilige Beziehung zur Wirklichkeit selber als Code miteinbringen. Es wird beim Zuschauer eine mit verschiedenen Mitteln hergestellte emotionale Evidenz erreicht. Somit steht der Dokumentarfilm nicht außerhalb des Cinema, sondern gehört ebenso wie der Spielfilm dazu.