film-theorie-medien
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konstruktiven Prinzip der Simultaneität (Gleichzeitigkei) mehrerer Reihen visueller Vorstellungen. Auf dieser Grundlage gewinnen Geste und Bewegung völlig neue Bedeutung....In der Evolution der Verfahren einer Kunst zeigt sich immer ihre spezifische Natur. Die Evolution der filmischen Verfahren ist in vielem lehrreich.

Der Aufnahmewinkel wurde in seiner ursprünglichen Form vom Blickpunkt des Zuschauers oder vom Blickpunkt einer handelnden Figur her motiviert. Genauso, als Wahnehmung einer handelnden Figur, wurde auch die Großaufnahme des Details motiviert.

Nachdem er zunächst durch die Perspektive einer handelnden Figur motiviert war, befreite sich der ungewöhnliche Aufnahmewinkel von dieser Motivierung und wurde als solcher geboten; so wurde er zur Zuschauerperspektive, so wurde er zum stilistischen Mittel des Films....Der Film ist hervorgegenagen aus der Fotografie. Die Nabelschnur zwischen Ihnen wurde durchschnitten in dem Augenblick, in dem der Film sich klar als Kunst begriff. Die Sache ist die, daß auch die Fotografie Eigenschaften hat, die nicht klar bewußte, gewissermaßen illegitime ästhetische Qualitäten sind. Die Fotografie ist auf Ähnlichkeit orientiert. Ähnlichkeit ist jedoch kränkend, über allzu ähnliche Fotografien sind wir gekränkt. Deswegen deformiert die Fotografie heimlich das Material. Eine solche Deformation wird freilich nur zugelassen unter einer Voraussetzung: daß die prinzipielle Orientierung - die Ähnlichkeit - gewahrt bleibt. Der Fotograf mag durch Körperhaltung (Stellung), Licht usw. unser Gesicht nach belieben deformieren; wir billigen dies alles unter der stillschweigenden, allgemeinen Übereinkunft, daß das Porträt ähnlich sein soll.


VICTOR BORISSOWITSCH SCHKLOWSKI auch SKLOVSKIJ (1893-1984) war Mitbegründer der ' Opojz'. Führend in der formalistischen Schule. Trat als Schriftsteller herwor. Schrieb Essays über Kunst und Literatur. Nach 1929 wurde die formale Methode als nicht mit der kommunistischen Doktrin vereinbar verurteilt und SKLOVSKIJ wandte sich der Literaturgeschichte, dem Theater und der Filmkritik zu.


SCHKLOWSKI verwirft die Ansicht, daß die Poesie dem Film näher stünde als die Prosa. In PUDOWKINs Mat (Die Mutter) wird die Alltagssituation durch rein formale Momente der Montage werdrängt. Durch den schnellen Wechsel der Einstellungen, die nicht dazu kommen, sich selber zu tragen, gewinnt der Film eine Mehrdeutigkeit, die er mit dem poetischen Bild gemeinsam hat. Ein technisches Verfahren wie z.B. die Doppelbelichtung ist ein poetisches Verfahren, weil es das formelle Moment dem bedeutungsmäßigen vorzieht.