Für diese Entwicklung von Filmen, die sich einer neuen Sprache bedienen, weil sie die Episode nicht expressionistisch deformieren, sondern sie durch den Schnitt in ihrer dramaturgischen und psychologischen Wirkung weiterbestehen lassen, sieht BAZIN zwei Gründe. Der erste liegt in der Weiterentwicklung des Filmmaterials zu höherer Empfindlichkeit, was die Arbeit mit kleineren Blenden und einer größeren Tiefenschärfe erst ermöglicht. Der zweite Grund ist der Tonfilm, denn " das sprechende Bild, weit weniger flexibel als das visuelle, hat die Montage zum Realismus zurückgeführt, indem nach und nach der Expressionismus in der Bildgestaltung und auch die symbolische Beziehung zwischen den Bildern weggelassen wurde (ALBERSMEIER,1979, S. 269). "
Die Bedeutung der Tiefenschärfe für die Entwicklung einer Filmsprache, die sich mehr für die Realität als für expressionistische Deformationen interessiert, wurde zuerst von JEAN RENOIR erkannt. Er begriff die Unschärfe des Hintergrundes als Begünstigung der Montage. Durch Ausnutzung der Tiefenschärfe und dem Aufbau einer Bildkomposition in die Tiefe, versuchte er die Montage zu umgehen.Ein Markstein in der Entwicklung des Films wurde jedoch nicht ein Film von RENOIR, sondern ein Filmwerk von ORSON WELLES:Citizen Kane. In Citizen Kane, der zu den zehn besten Filmen aller Zeiten gzählt wird, vollzieht WELLS durch einen extremen Einsatz der Tiefenschärfe und einer in die Tiefe gehenden Bildkomposition eine radikale Abkehr sowohl vom Bild- und Montageexpressionismus als auch von der Filmsprache Hollywoods zwischen 1930 und 1940. BAZIN über Citizen Kane:
" Die dramatischen Wirkungen, die vorher durch die Montage erreicht wurden, entstehen hier dadurch,daß die Schauspieler innerhalb der einmal festgelegten Einstellung ihren Platz verändern .... Der Regisseur und der Kameramann haben auf der Leinwand ein dramatisches Schachbrett angeordnet, an dem nicht das geringste Detaille fehlt .... Die Plazierung eines Gegenstandes und seine Beziehung zu den Personen ist so, daß dem Zuschauer seine Bedeutung nicht entgehen kann. Die Montage hätte diese Bedeutung in einem Ablauf aufeinanderfolgender Einstellungen umständlich umschreiben müssen." (ALBERSMEIER, 1979, S. 271)