1.3 Es folgt nun eine Differenzierung der in 1.0 schon angesprochenen Unterscheidung zwischen System und Realität zu einem abstrakten Kalkül hin. Grundbestandteil des Kalküls ist ein uninterpretierter Zeichenvorrat (d.h. sie haben keinen Inhalt, sind variable Zeichen), dessen Zeichen über Kombinationsregeln, die in Axiomen festegelegt sind, zu neuen Zeichen zusammengesetzt werden können. Neben den Kombinationsregeln enthält der Kalkül Transformationsregeln,welche angeben wie festgelegte Kombinationen zu Theoremen (Sätze) abgeleitet werden. Die Sätze eines Kalküls (Axiome/Theoreme) haben nicht die Eigenschaft wahr oder falsch zu sein, da sie selber nur formale Ableitungen sind, denen semantisch, abstrakte Symbole zugrunde liegen. Beispiele für Kombinationsregel: a.) X darf nie alleine stehen b.) Alle anderen Symbole können alleine stehen oder mit jedem anderen Symbol kombiniert werden
Beispiel für Transformationsregel: Wenn nur zwei Symbole verbunden sind, kann jedes der verbundenen Symbole abgeleitet werden. So könnte man z.B. für die Kombination X und Y sowohl X als auch Y schreiben, d.h. XY kann sowohl in das Symbol X als auch in das Symbol Y transformiert werden.
1.4 Die Terme des Kalküls können nicht empirisch verifiziert werden, da sie weder wahr noch falsch sind. Natürlich dürfen keine widersprüchlichen Terme ableitbar sein, aber es ist ein Unterschied, ob die Grundterme des Kalküls mit Begriffen eines theoretischen Zusammenhanges interpretiert werden (z.B. mit Begriffen aus der Geometrie oder der Topologie) oder aber mit Sätzen aus der empirische Realität faktisch interpretiert werden. Solche Interpretationen bei denen die Grundterme der abstrakten Theorie mit Sätzen aus der empirischen Realität interpretiert werden sind möglich durch Referitionen und semantischen Regeln. Referitionen sind Bedeutungsfestlegungen, die eine Beziehung zwischen Symbolen und Bezugsobjekten erklären während semantische Regeln die Beziehung zwischen Symbolen und Sachverhalten inhaltlich angeben.
Referitionen: a) Hinweisende Bedeutungsfestlegungen folgender Art: Das ist ein ..., wobei diese Sätze von außersprachlichen Handlungen wie Gesten, die das Bezugsobjekt bezeichnen, begleitet sind. b) Standardisierende Bedeutungsfestlegungen, welche die Symbole als Standardobjekte interpretieren. c) Meßtechnische Bedeutungsfestlegungen, welche die Symbole als Resultate kontrollierter Meßoperationen interpretieren.
Semantische Regeln: a) Designationsregeln sind nominelle Festlegungen, wobei eine eindeutige Beziehung von Objekten und Bezeichnungen hergestellt wird z.B. C für Kohlenstoff und O für Sauerstoff. b) Interpretationspostulate oder Korrespondezregeln. Bei der Interpretation wird den Symbolen der abstrakten Theorie (Kalkül) inhaltlicher Sinn zugeordnet. Über das, was empirisch vorgefunden oder angenommen wird also empirische Tatsachen oder Ereignisse, werden Sätze gebildet und den Symbolen zugeordnet. Erst mit diesen Regeln ist eine Verifizierung der Aussagen einer Theorie möglich. Nur mit der Operation der Korrespondenz kann über die Richtigkeit und Falschheit von Aussagen geurteilt werden, weil durch die Operation der Korrespondenz die abstrakte Theorie mit realem Bezug getestet werden kann.