Die Gesellschaft als System befindet sich in ständiger Auseinandersetzung mit Einflüssen aus ihrer Umwelt und versucht, eine systeminterne Stabilisierung zu erreichen. Eine kybernetische Gesellschaftsanalyse untersucht mögliche Konfliktsituationen, sie deckt Widersprüche und Herrschaftsverschleierungen auf. Dadurch können eventuell gewaltsame Störungen - Revolutionen oder Kriege - vermieden werden. Sozialkybernetik ist also nicht nur die Analyse bloßer Steuerungsvorgänge, sondern sie ermöglicht Konfliktregulierungen. Der Brückenschlag von der Kybernetik zu den Gesellschaftswissenschaften geschieht mit Hilfe der Übersetzung technischer Muster in psychologische, soziologische odeer politologische Theoreme. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß es sich bei den hochentwickelten Industriegesellschaften unserer Zeit in ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht um äußerst komplexe Systeme handelt, in denen Varietät (Anzahl), Konnektivität (Beziehungsreichtum) und Variabilität (Beziehungsanordnung) der Elemente den Grad der Komplexität bestimmen.
Die hochentwicklten Industriestaaten sind außerdem offene Systeme wegen ihrer starken außenwirtschaftlichen und bündnispolitischen Verflechtungen. Sie sind schließlich dynamische Systeme, zum Beispiel durch den ständigen technologischen Fortschritt oder durch das Auftreten immer neuer Probleme etwa im Bildungswesen, Gesundheitswesen und Umweltschutz. Hieraus ergeben sich immer kompliziertere Regierungs- und Verwaltungsmechanismen sowie der Zwang zur Bereitstellung immer breiterer qualitativer und quantitativer er Informationsgrundlagen. Bei der Systemtheorie handelt es sich um den Versuch, die aus historischen Gründen unterschiedlichen Methododologien und Terminologien aller an kybernetischen Fragestellungen interssierten Fachwissenschaften auf deren mathematisch-quantitative Aussagekraft zu reduzieren und zu einer Theorie von universeller Gültigkeit und Anwendbarkeit zusammenzufassen. Ursprünglich zweifellos eine Reaktion auf die fortschreitende Verselbständigung der Fachwissenschaften, erhält die Systemtheorie für die politische Entscheidungsfindung also insofern große Bedeutung, als sie dem mit planerischen Aufgaben befaßten Politiker aus den für ihn wesentlichen, aber ihm nicht vertrauten Fachwissenschaften kommensurable und somit operationalisierbare Informationen zu liefern vermag. Die Systemanalyse als kybernetisch-abstrahierende Methodik befähigt also den Politiker, im realpolitischen Geschehen durch Vergleich, wenn auch nur im Bereich der Wahrscheinlichkeit, Kausalbeziehungen zu erkennen, sie in mathematischen Beziehungen zu formulieren und auf diese Weise, wenn auch nicht zu optimalen Entscheidungen, so doch zu einer besseren Berücksichtigung der gesamtpolitischen Zusammenhänge zu gelangen.