Nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) geht der Beschluss des EZB-Rats vom September 2012 zum möglichen Kauf von Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedsländer der Eurozone in unbegrenzter Höhe am Sekundärmarkt („OMT“) – bisher wurde dieses Programm noch nicht aktiviert – über die Befugnisse der EZB hinaus. Die Entscheidung fiel mit 6:2 Stimmen, wobei die beiden Richter mit abweichender Meinung die Klageanträge für unzulässig einstuften. Gemäß der Mehrheitsmeinung verstößt der OMT-Beschluss gegen das währungspolitische Mandat der Notenbank und stellt vielmehr eine eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme dar. Diese Kompetenz gehört jedoch in den Verantwortungsbereich der Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig widerspricht das OMT- Programm laut BVerfG dem in den Europäischen Verträgen festgelegten Verbot einer monetären Haushaltsfinanzierung und nimmt Züge eines Finanzausgleichs an, was so in den Verträgen nicht vorgesehen ist. Das BVerfG hält es allerdings für möglich, dass durch eine „einschränkende Auslegung oder eine Beschränkung der Gültigkeit des OMT- Beschlusses“ doch noch eine Konformität mit den Verträgen erreicht werden kann. Das könnte nach Ansicht des BVerfG jedoch nur durch die Einhaltung von drei Bedingungen erreicht werden: 1) den Ausschluss eines Schuldenschnitts, 2) den Verzicht auf einen unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen einzelner Mitgliedsstaaten und 3) die bestmögliche Vermeidung möglicher Eingriffe in die Preisbildung am Markt.
Da nach Einschätzung des BVerfG durch den EZB-Ratsbeschluss die Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten der Eurozone verletzt werden, hat man den Europäischen Gerichts- hof (EuGH) angerufen und eine Vorabentscheidung in dieser Frage erbeten. Somit liegt die letztendliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des OMT-Programms bei den europäischen Richtern. Sollten diese der Argumentation des BVerfG folgen, wäre der Bundestag u. a. dazu verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Europäischen Verträge entsprechend adjustiert werden oder, falls dies nicht gelingt, die Aufhebung der vom EZB-Rat beschlossenen Maßnahmen zu erwirken. Darüber hinaus wird das BVerfG am 18. März sein Urteil in Bezug auf die Klagegegenstände im Zusammenhang mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dem Fiskalpakt verkünden. Da der EuGH bisher in der Regel recht europafreundlich entschieden hat, halten sich die Reaktionen an den Aktien-, Renten- und Devisenmärkten in Grenzen. Der Euro musste zum US-Dollar zwar direkt im Anschluss an die BVerfG-Pressemitteilung kurzfristig leichte Verluste hinnehmen, hielt sich aber weiter deutlich über der Marke von 1,35 USD.