Die Hinwendung der Kunst in der Renaissance zur physischen Welt steht in einer Parallele, zur Auflösung des aus der platonischen Ideenlehre stammenden Wirklichkeitsbegriffs wie am Universalienstreit des Mittelalters gut zu beobachten ist. Die Position des Realismus steht ja nicht nur konträr zum Nominalismus auf der Ebene eines erkenntnistheoretischen Grundproblems. Auf der Ebene einer Ästhetik steht sie im Widerspruch zu jener Auffassung von Körper und Raum, wie sie von der Malerei der Renaissance vertreten wird. Von daher liegt der Schluß nahe, in der Zuwendung der Malerei zur physischen Welt hin die gleiche Intention zu sehen, wie in der Zuwendung der Naturwissenschaften zur Außenwelt. Dem Prinzip der Induktion in der Wissenschaft entspräche das Prinzip der zentralperspektivischen Abbildung in der Ästhetik. Auf der einen Seite ist eine solche Schlußfolgerung richtig und in anderer Hinsicht irreführend. Eine zentralperspektivische Ästhetik hat die gleiche gesellschaftliche Intention wie die Naturwissenschaft. Ihre Annäherung an das Materielle hat jedoch nichts mit einer Verifikation durch die wissenschaftliche Empirie einer anorganischen Materie zu tun. Nominalismus und Zentralperspektive legitimieren sich durch eine Empirie des menschlichen Geistes, wie er sich in der Sprache und in der Kultur kollektiv entfaltet. Die Wirklichkeit des menschlichen Bewußtseins in den physisch wahrnehmbaren Äußerungen der Gesamtheit aller Sprachen ist für die Renaissance das Materielle, auf das sie sich in ihrer Ästehtik bezieht. Die Abbildung ist lediglich die bessere Beherrschung bestimmter visueller Codes in ihrer Reproduktion als zentralperspektivisch komponiertes Gemälde.
Die Erfindung der Fotographie und des Films erlauben es, diese Hinwendung zum Materiellem mit perfekteren Mitteln der Abbildung fortzusetzen. Keine anderen Medien wie Film und Fotographie haben sich in ihrer Visualität den Codes der äußeren Wirklichkeit so weit genähert. Mit dieser Annäherung an die Wirklichkeit kann die verbale Sprache nicht konkurrieren. Der Abnehmende Einfluss des Wortes ist in unserer heutigen Gesellschaft, die durch Fotographie, Fernsehen und Film geprägt ist, kaum mehr zu übersehen. Damit hat sich die ursprüngliche Hierarchie der Kommunikation zugunsten des Bildes verändert.